Wie hoch sind eigentlich 200 Meter?
Wie hoch sind eigentlich 200 Meter?
Exkursion in den Windpark bei Mehrum / Bürger und Politik verschaffen sich einen Eindruck
Von Jennifer Krebs
Wennigsen. Wie hoch ist eigentlich so ein Windrad aus nächster Nähe? Mehr als 240 Meter Höhe sollen die fünf Anlagen haben, die der Bremer Windparkbetreiber WPD im Dreieck Degersen, Egestorf und Redderse aufstellen will. „Doch immer nur am Tisch darüber zu sprechen, reicht nicht aus“, sagt Wennigsens Klimaschutzbeauftragter Detlev Krüger-Nedde und findet solche Diskussionen zu abstrakt und theoretisch. Auf seinen Wunsch organisierte die Klimaschutzagentur der Region Hannover deswegen eine Exkursion in den Landkreis Peine. Bei Mehrum stehen 120 Meter und 200 Meter hohe Windkraftanlagen – „die höchsten, die es im Umkreis gibt“, sagt Krüger-Nedde.
20 Bürger, auch Kritiker der Bürgerinitiative Gegenwind, nahmen das Angebot wahr, um sich selbst ein Bild zu machen. Krüger-Nedde bedauert, dass nicht alle Ratsfraktionen aus Wennigsen mit dabei sein konnten. Die letzten Absagen hätten ihn erst wenige Stunden vorher erreicht. Aus seiner Sicht ist es für die weiteren Beratungen wichtig, sich einen persönlichen Eindruck von hohen Windenergieanlagen zu verschaffen.
Interessante optische Eindrücke
Udo Sahling von der Klimaschutzagentur wies darauf hin, dass es auf der Exkursion vor allem darum ginge, einen optischen und möglichst auch akustischen Eindruck zu vermitteln. Da es über weite Strecken dann leider windstill blieb und die zwischenzeitlich aufkommende leichte Brise kaum auffiel, weil die Windräder auch in nächster Nähe keine hörbaren Geräusche von sich gaben, sammelten die Teilnehmer bei ihrem Spaziergang durch den Windpark vor allem optische Eindrücke. „Interessant und mitunter irritierend war für uns alle, wie stark die Wahrnehmung der Höhe von der Entfernung und den dazwischen liegenden technischen Bauwerken oder der Bepflanzung abhängt“, resümiert Krüger-Nedde. So würden 50 bis 60 Meter hohe Hochspannungsmasten aus mancher Perspektive genauso hoch wirken wie die dahinter liegenden 200 Meter hohen Windenergieanlagen. Ein Teilnehmer, der sehr exponiert zu den geplanten Windrädern bei Degersen wohnt, merkte an, dass die Anlagen gleichwohl eine bedrohliche Wirkung auf ihn ausüben würden. Krüger-Nedde spricht von einem „Kopfgefühl“, dem sicherlich nur durch Anpflanzungen von Büschen und Bäumen auf der Sichtachse zu begegnen wäre.
Insgesamt erläuterte Eike Müller von der Klimaschutzagentur viele planungsrechtliche Fragen und Angaben zu den technischen Daten der Anlagen. Immer wieder stand die Frage nach der bei Degersen geplanten Windräderhöhe von 240 Meter im Mittelpunkt. Es wurde über Immissionen diskutiert, Lärm, Infraschall und Schattenwurf.
Dabei wurde klar herausgestellt, dass es aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie landesrechtlicher Vorgaben weder möglich sei, niedrigere Anlagen etwa auf den Deister zu stellen noch sie deutlich niedriger zu bauen. Durch die Anlagenhöhe nehme die Stromerzeugung deutlich zu, die für einen wirtschaftlichen Betrieb aufgrund der Ausschreibungsbedingungen des EEG unabdingbar sei. Sahling betonte, dass am Schluss jeder der Teilnehmer sicherlich sein eigens Fazit gezogen haben dürfte, dass aber alle Bürger sicher sein könnten, dass in einem Genehmigungsverfahren alle Belange geprüft und in einen etwaigen Genehmigungsbescheid Eingang finden würden.
WPD wird seine Windpark-Pläne am Mittwoch, 6. Juni, noch einmal im Ortsrat Degersen erläutern. Die Sitzung beginnt um 19 Uhr im DGH, die Ortsräte aus Wennigsen und der Wennigser Mark sind geladen. Der Ausschuss für Bau, Planung und Umwelt befasst sich am Donnerstag, 7. Juni, ab 18.30 Uhr im Rathaus mit einer möglichen Klage gegen das RROP. Der Rat tagt am Donnerstag, 14. Juni, ab 19 Uhr im Rathaus.
Immer nur am Tisch darüber zu sprechen, reicht nicht aus. Detlev Krüger-Nedde, Klimaschutzbeauftragter von Wennigsen
Klagt Wennigsen gegen das RROP?
Gegen die fünf Windräder, die der Bremer Windparkentwickler WPD bei Degersen bauen will, darf die Gemeinde keine reine Verhinderungsplanung betreiben. Doch sollten Windkraftbetreiber das Windvorranggebiet mit einer Höhenbegrenzung als nicht mehr lukrativ ansehen, könne dies nicht als Verhinderungsplanung angesehen werden, sondern als eklatante Fehlplanung der Region, meinen die Wennigser Liberalen. Es dürfe nicht auf dem Rücken der betroffenen Bürger abgeladen werden, wenn Regionspolitiker aus grundsätzlichen Erwägungen ungeeignete Flächen als Windvorrangflächen ausweisen, die sich dann nur mit Gigantomanie als halbwegs lukrativ rechnen ließen. Die FDP hat einen Antrag in den Rat eingebracht. Das Gremium soll am 14. Juni darüber entscheiden, ob nach Nachbarstadt Barsinghausen auch Wennigsen gegen das neu aufgestellte Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) klagt.
Mit einem Normenkontrollverfahren könnte der Bau von Windkraftanlagen auf Wennigser Gebiet verhindert werden, glauben manche. Doch der Sachverhalt sei äußerst komplex, sagt Bürgermeister Christoph Meineke. Monatelang war um die Neuauflage des RROP durch die Region Hannover gestritten worden, in dem die Vorrangflächen für den Ausbau von Windparks festgelegt sind. Ein Normenkontrollverfahren gilt als langwierig und teuer.
Generell kann gegen das RROP innerhalb von einem Jahr nach Veröffentlichung angestrengt werden, wenn eine unmittelbare Betroffenheit besteht. Die Klagefrist endet im August. Ein Antrag auf Normenkontrolle hat keine aufschiebende Wirkung. Das zuständige Oberverwaltungsgericht kann aber eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies „zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten“ scheint.
jbö
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